Test: Kymco MXU 700i MXU 550i

Aufbruch in eine neue Liga

Yes, we can. Dass hat sich auch Kymco gesagt. Nach einer mehrjährigen Entwicklungszeit präsentiert man sowohl für den Großroller My Road 700i als auch für das neue ATV MXU 700i eine stärkere Motorengeneration im 700 Kubikbereich. Bei winterlichen Bedingungen haben wir sowohl die neue MXU 700i als auch die neue MXU 550i einem ersten Fahrtest unterzogen.

Umfangreiches Bildmaterial zum Artikel im Quadjournal Jan/2013 ab Seite 44

 

Es war an der Zeit. Kymco war und ist bekannt für ATV-Einsteigerfahrzeuge mit einem der besten Preis-Leistungsverhältnisse. Auch in der Mitteklasse setzte man Maßstäbe. Das bisherige Flaggschiff: die MXU 500. Dieses Modell hat sich im Laufe der Jahre zum „Volks-ATV“ gemausert. Nach dem Joint-Venture mit Arctic Cat und den Modellen Maxxer sowie MXU 450 wurde es ruhiger bei Kymco. Fragen nach der nächsten ATV-Motorengeneration wurden gestellt. Neuen Nährboden bekam das Vermutungskarussell on- wie offline mit der Präsentation des Großrollers MyRoad und seinem 700er Zweizylindermotor. Im Hintergrund entwickelte man bei Kymco tatsächlich an einer neuen ATV-Motorengeneration. Einem Einzylinder.
Endlich 2013. Im neuen Modell MXU 700i ist dieser neue Motor auch in Deutschland angekommen  und das mit serienmäßiger LOF-Zulassung für legaloffene Leistungsausbeute. Im Frühjahr werden die ersten Modelle an die Kymco Händlerschaft ausgeliefert. In der Nähe von Weiden konnten wir die ersten Testkilometer sowohl mit dem Modell MXU 700i als auch mit dem neuen Modell MXU 550i abspulen. On- wie Offroad versteht sich.
Bezüglich Design hat man für ein Kymco-ATV einen Meilenstein gesetzt. Mehr Auto-like schaut die MXU 700i wie auch ihre Schwester MXU 550i ins neue Jahr 2013. Ecken, Kanten, Chrom und LED-Technik geben dem Kymco Flaggschiff ein eigenständiges, fasst spaciges, Design. Zum Alleinstellungsmerkmal reicht es jedoch nicht. Cectek mit seinem Modell Gladiator brachte den neuen Style mit bullig-kantiger Front vor Jahren zuerst auf den Markt. Sei’s drum.

Während beim Roller bereits ein Zweizylinder mit 59 PS seine Arbeit verrichtet ist man beim neuen ATV MXU 700i bei der bewährten Einzylindertechnik verblieben – mit elektronischer Benzineinspritzung versteht sich. Der „Eintopf“ leistet 45 PS und beschleunigt das ATV auf maximale 97 km/h. Der digitale Tachometer zeigt dabei Werte jenseits von 100 km/h an (im Fahrversuch auf ebener aber nasser Straße waren es 104 km/h). Aus dem Stand heraus beschleunigt die MXU mit viel Kraft nach vorne. Ein Leistungskick, der die Fingernägel zum Festkrallen in die Lenkergummis zwingt, bleibt aber aus. Die Beschleunigung ist eher als stetig und gleichbleibend – auch beim Erreichen hoher Geschwindigkeiten- zu bezeichnen. Zum Reisen und Fahren auf der Straße, hier werden in Deutschland definitiv die meisten Kilometer auf ATVs abgespult, ist die gebotene Power in der Dosierung als auch der Abrufbarkeit über das Daumengas passend. Die Benzineinspritzung macht sich bemerkbar. Weder beim Überholen auf der Landstraße noch bei langen Steigungen ist man untermotorsiert unterwegs. Auch zu zweit unterwegs steht dem  neuen MXU-Modell so viel Kraft für eine dynamische Fahrweise zur Verfügung. Das abrufbare Leistungsplus gegenüber dem Schwestermodell MXU 550i ist spürbar. Die ist, anders als man von der Beschriftung 550i meinen könnte, eigentlich eine 500er mit jetzt neu 501 ccm statt wie vorher 498,6 ccm Hubraum. Man hat den Hub des Kolbens um 0,4 mm vergrößert.

Motorleistung ist nicht alles unterwegs. Der gebotene Komfort in jeder Hinsicht ist ebenso für ein positives Fahrvergnügen von großer Bedeutung. Und davon bietet die MXU 700i viel. Die Lenkerhöhe ermöglicht im Zusammenspiel mit der tiefen Sitzposition eine aufrechte Körperhaltung und damit viel Entspannung für den Rücken. Der Lenker ist angenehm zum Fahrer hin gekröpft, die Sitzbank nicht zu weich aber auch nicht sportlich hart – genau richtig für entspannte Touren. Will man einen Sozius transportieren, bietet die Sitzbank eine befriedigende Länge. Enge Gemeinschaft ist aber angesagt. Alle Schalter lassen sich gut erreichen und bedienen. Einzige Ausnahme ist der „Drück-und-Drehschalter“ für den Allradantrieb. Mag man diese Schaltereinheit mit dünnen Handschuhen und trockener Witterung einigermaßen gut bedienen können, so wird es bei Nässe oder Kälte mit dickeren Handschuhen schon schwieriger. Ist dann auch noch Matsch an den Handschuhen im Spiel wird es fast unmöglich auf Anhieb den 4×4-Antrieb zu aktivieren. Hier sollte Kymco auf Bedienelemente mit Drucktechnik (z.B. Suzuki KingQuad) zurückgreifen.  Gefallen  hat beim Fahrtest im Gelände die seit dem 500er IRS Modell neue Differentialsperr-möglichkeit an der Vorderachse. Die Zuschaltfunktion sollte nur bei Stillstand des ATVs bedient werden.
Kymco setzt bei seinen beiden neuen ATV-Modellen auf die bewährte MXU 500-Chassis-Basis. Zwei kleinere Veränderungen hat man allerdings vorgenommen. Um längere Federwege vorne zu realisieren hat man das Front-Chassis schmaler gestaltet. Längere A-Arms haben so Platz. Zum anderen wurde der Motor etwas weiter nach hinten versetzt. Ziel war eine noch bessere Gewichtsverteilung, die gleichzeitig das Lenken entlastet. Weitere Veränderungen gegenüber dem Vorgänger ist der um einen halben Liter auf jetzt 16,5 Liter geschrumpfte Tank.
Das neue 700er ATV bietet mehr Leistung, doch das Gewicht hat sich auch erhöht. Die Werksangabe beträgt 370 kg Leergewicht. Das sind satte 23 kg mehr als noch bei der MXU 500 IRS.
Bei unseren Fahrtests im Gelände ist dieses Gewichts-Plus deutlich zu spüren. Das ATV lässt sich zwar einfach und unkompliziert pilotieren, doch das Gewicht muss gewuchtet werden. Besonders dann, wenn man diverse Male vor und zurücksetzen muss. Die Lenkung ist insgesamt leicht und angenehm. Wird der Untergrund aber rauer und die Fahrgeschwindigkeit nimmt zu, sind Schläge in den Armen zu verzeichnen. Ein zukünftige Servolenkung (wir können uns nicht denken, dass Kymco sie nicht einführen wird) wird hier bei sportlicherem Einsatz Abhilfe schaffen. Die Dämpfung der Federn ist gut, solange man es nicht übertreibt. Bei mittelweiten Sprüngen schlägt sie durch. Fährt man flott über dicht hintereinanderliegende Wellen, schaukelt sich das Heck des ATVs schnell auf. Ok, die MXU 700i ist nicht als Sportler gebaut. Doch Grenzen in diesem Bereich sind ihr schnell gesteckt. Ab auf die Straße – ihrem bei  uns eigenen Revier. Bei der winterlichen Stimmung war es nicht ganz einfach eine schneefreie Straße zu finden. Doch ist es uns in tieferen Lagen gelungen. Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Fahrverhalten. Alles tipptopp. Durch den verbauten Querstabilisator an der Hinterachse legt es sich mit der 700er MXU auch angenehm in die Kurven bei hoher Geschwindigkeit. Typisch für eine Einzelradaufhängung hebt die MXU dabei das kurveninnere Vorderrad. Die Dämpfung ist weder zu weich noch ist sie zu hart. Ein sehr gut gelungener Kompromiss. Die Bremsen bringen das ATV auch aus großen Geschwindigkeiten sicher zum Stehen. Lediglich die aufzuwendende Handkraft könnte minimiert werden. Die serienmäßig verbauten Maxxis Bighorn Reifen laufen mit viel Gripp auf der nassen Fahrbahn und geben ein sicheres Gefühl.

Fazit:
Kymcos Schritt hin zu größeren Hubräumen ist richtig und war notwendig, um den Anschluss in der Welt der ATVs nicht zu verlieren. Die gute Reputation und Zuverlässigkeit der bisherigen Kymco ATVs wecken große Erwartungen auch in die beiden Newcomer MXU 700i und MXU 550i. Die Zeit wird zeigen, ob die erfüllt werden.Das Design ist modern und gefällt. Die Motorleistung fällt so aus wie erwartet. Mehr Wumms als die 500er aber ohne wirkliches Aha-Erlebnis. Leider. Dafür ist das ATV einfach zu schwer. Fahrsicherheit, Komfort, mögliche Reisegeschwindigkeit – das alles passt. Für Geländefahrten sind die neuen MXU Modelle neben dem zuschaltbaren Allradantrieb, der Einzelradaufhängung und Untersetzung nun auch einer zuschaltbaren Differentialsperr-Möglichkeit ausgestattet. Der Allradschalter sollte unserer Meinung nach überarbeitet werden.●

Fotos und Text: Stefan Herbst

 

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