Warum bietet das King Quad auch heute noch eines der besten Preis-Leistungsverhältnisse? Dieser Frage sind wir im Test der Suzuki KingQuad 750 AXI mit Servolenkung nachgegangen.
Bilder zum Test HIER ab Seite 42
Im Jahr 1983 packt Suzuki den Stier bei den Hörnern. Man stelllt das erste ATV vor. Der QuadRunner LT125 geht an den Start und wird eine komplett neue Industrie begründen. Übrigens: Die Behauptung (ja, auch wenn es fälschlicherweise in Wikipedia steht), dass man vom Bundeswehr Kraka abgeschaut hat: blanker Unsinn. Kompakte Allradler haben die Amis schon lange vor dem Kraka in Form von Willys Jeep und Co in Gebrauch. Und um ein viertes Rad zu montieren braucht es keiner Vorgabe aus Deutschland. Ganz sicher nicht. Die Amis wissen wie ein viertes Rad zu montieren ist. Weiter im Text. 1985 folgt das erste Sportquad überhaupt, die Suzuki LT250. Das erste KingQuad wird 1991 als KingQuad vorgestellt. Es ist bezüglich der Allradtechnik der kompletten Mitbewerberschar meilenweit voraus. Einzelradaufhängung vorne und hinten, zuschaltbarer Allradantrieb, Untersetzung und sogar eine zuschaltbare Differentialsperre an der Vorderachse finden sich am ATV-Modell. Suzuki verliert dann aber in den folgenden Jahren gegenüber der Mitbewerberschar den Anschluss. Die Suzuki ATV-Modelle werden Mauerblümchen. Doch erneut packt man das Rindvieh beim Kopfschmuck. Peng! Nach fünf Jahren Entwicklungszeit geht 2005 ein Sports Utility Vehicle, kurz SUV, an den Start, dass sich gewaschen hat. Das King Quad 700i. Zu dieser Zeit das sportlichste ATV auf dem Markt. Im Jahr 2008 folgt der größere 750er Motor ebenfalls mit Einspritzung, 2010 dann das Power Steering. Danach? Erneute Sendepause. Tatsächlich baut Suzuki seine Modelle 450, 500 und 750 in dem immer noch gleichen Design wie anno 2005 auch heute noch– leider. Des Königs neue Kleider wären dringend fällig.
„Nur“ 722 Kubik Hubraum.“Nur“ 50 PS Leistung. Dennoch, das Suzuki KingQuad bleibt ein Maß der Dinge im ATV-Bereich – auch bei den Big Toys. Das war 2005 so und ist auch heute immer noch gültig selbst wenn sich der Leistungskampf bereits im Bereich 70 bis über 80 PS abspielt. Und so viel langsamer ist der King auf der Straße nicht. 115 km/h zeigt das GPS bei unserem Testfahrzeug. Damit lässt es sich munter mitschwimmen. Ok, in der Beschleunigung hat das KingQuad gegen Hubraumstärke Ein- und Zweizylinder das Nachsehen. Doch wem es nicht auf die Sekunde beim Beschleunigen von 0 auf 100 km/h ankommt wird mit dem Suzuki ATV bestens bedient.
Der 722 ccm große, flüssigkeitsgekühlte Suzuki Einzylinder mit elektronisch geregelter Benzineinspritzung erreicht bereits bei knapp über 3.000 Umdrehungen sein größtes Drehmoment (größte Kraftentfaltung). Das sorgt für peppige Starts aus dem Stand. Der Verbrauch ist auch recht zahm. Rund 10 Liter auf 100 km plus/minus werden im Verbrennungsraum beim Testen konsumiert. Damit liegt das KingQuad voll im grünen Bereich. Das CVT-Automatikgetriebe lässt sich für Schleichfahrten oder im Anhängebetrieb untersetzen. Der Antriebsriemen ist durch eine mechanische Fliehkraftkupplung gegen zu starke Abnutzung geschützt. Lebensverlängernd wirkt auf jeden Fall immer ein leichtes Anfahren damit das ATV schon rollt bevor man Vollgas gibt.
Riemenrisse sind beim KingQuad die absolute Seltenheit. Keine Bange. Doch kommt es dazu ist der Wechsel selbst für den Laien kein Problem. In rund 50 Minuten schafft das jeder. Die meiste Zeit kostet es die Verkleidungsteile mit den vielen Schrauben rund um das CVT-Gehäuse zu entfernen. Der eigentliche Riemenwechsel (das Säubern des Antriebskastens von Riemenresten sehr penibel durchführen!) ist in wenigen Minuten erledigt. Das tolle dabei: es braucht dazu kein Spezialwerkzeug – das Bordwerkzeug reicht allerdings auch nicht. Ist der CVT-Kasten dann einmal offen, der neue Riemen montiert sollte man es sich nicht nehmen lassen die Funktionsweise des Antriebs in natura zu erkunden indem man etwas Gas (Wahlhebel auf NEUTRAL) gibt. Es ist schon erstaunlich wie wenig Drehzahl es braucht damit der Riemen von den Antriebsscheiben mitgenommen wird. Doch zurück zum Fahrtest. Auf der Straße, wie könnte es auch anders sein, ist das KingQuad eher unauffällig im positiven Sinne unterwegs. Die Motorkraft reicht in allen Fahrsituationen völlig aus. Mehr braucht es wirklich nicht. Auch kurze Autobahn- oder Landstraßenetappen mit Highspeed sind kein Hindernis. Auch hier wieder der Hinweis auf den Riemen. Generelle Ursache Nummer 1 für einen Riemendefekt oder übermäßige Riemenabnutzung ist die Überhitzung. Daher nicht stundenlang Vollgas fahren. Ein Lastwechsel durch Gaswegnehmen gibt dem Antriebsriemen die nötige Zeit wieder abzukühlen. Da Autobahnblasen eher langweiliger Natur ist führt der Straßentest jetzt auf kurvenreichen Landstraßen zum Testgelände. Schließlich ist das KingQuad (heißt es eigentlich der,die oder das KingQuad – die Testcrew konnte sich bis zum Ende des Tests nicht auf einen gemeinsamen Artikel einigen) als Geländefahrzeug konzipiert. In den Asphaltkurven als auch auf den schnellen Schotterpassagen wird schnell klar, das man an der Vorderradfederung straffere Federdämpfer verwendet als noch beim Vorgängermodell 700. Das ATV taucht nicht mehr ganz so tief beim deftigen Kurvenraspeln weg. Der Stabilisator an der Hinterachse kommt tragend zum Einsatz. War die Lenkunterstützung auf Asphalt nur bei engeren Kurvenfahrten spürbar zu registrieren – das KingQuad gehört schon immer zu den ATVs, auch ohne Servo, dass durch geringe Lenkkräfte glänzte – so macht sie sich im Gelände bei schnell aufeinanderfolgenden Verschränkungen noch deutlicher bemerkbar. Die Unterarme werden kaum noch belastet. Generell kann man sagen je enger, je verzwickter oder je schneller es beim Geländeritt wird desto angenehmer empfindet man die Lenkunterstützung. Der Normalo-ATV-Fahrer braucht sie allerdings nicht wirklich. Doch es ist so wie immer: hat man sich an den Komfort gewöhnt will man ihn nicht mehr missen. Apropos Komfort. Beim KingQuad sitzt man weder „im“ Fahrzeug, also etwas tiefer (z.B. Arctic Cat 350) noch auf dem ATV (z.B.Kawasaki KVF 750 oder TGB Blade). Suzuki hat die goldene Mitte gewählt. Das bedeutet angenehm aufrechte Sitzposition mit einem sehr guten „Gefühl“ für das ATV. Die sportlich zugeschnittene Sitzbank und die Tankform in Höhe der Knie lässt auch dem Neuling auf dem Suzuki ATV schnell heimisch werden. Die Bedienelemente sind selbsterklärend. Der Wahlhebel rastet problemlos überall ein. Die Armatur für den Allradantrieb ist hochwertig und kinderleicht zu bedienen. Ein Druck genügt, um den Allradantrieb zuzuschalten; auch während der Fahrt. Das vordere Differential lässt sich erst jetzt per Schiebemechanismus am 4×4-Schalter sperren und wieder entsperren. Dazu muss das ATV zum Stillstand gekommen sein. Besonders bei zugeschalteter Sperre schätzt man die Lenkunterstützung. Doch die ganze Allradtechnik nützt wenig wenn es keine Reifen mit entsprechender Profilierung gibt. Und die waren bisher bei Suzuki einfach nicht grob genug – besonders bei feuchten Geländeverhältnissen sind die hinteren Pneus nur befriedigend zu bewerten. Daran hat sich auch im Modelljahr 2013 leider nichts geändert. Der ehemalige Suzuki ATV-Umrüster Heppi Quad (Insolvenz 2009) rüstete daher und wegen der Straßenzulassung auf gröberes Profil mit E-Zulassung um – unser Testfahrzeug hatte dieses Reifenprofil. Das läuft auf der Straße wie im Gelände sauber geradeaus und vermittelt, hat man den Reifendruck von 0,4 bis 0,5 bar gewählt, mit viel Gripp auf dem Untergrund ohne schwammig in den Kurven zu wirken. Die Bodenfreiheit von knapp 28 cm reicht vollkommen aus, um Hindernisse wie Steine oder tiefe Fahrspuren zu überwinden. Von unten als auch an den A-Arms ist die Suzuki gut mit Kunststoffplatten geschützt. Um das Gewicht des ATVs mit den zusätzlichen Servolenkung Bauteilen gering zu halten hat man beim Power Steering Modell auf den Seilzugstarter verzichtet.
Das Fahrwerk arbeitet komfortabel und wirkt auch wenn man es forcierter im Gelände laufen lässt, nicht überfordert. Erst im Renntempo ist dann schnell Schluss mit lustig. Vor allem die vorderen Dämpfer schlagen durch. Fürs gemütliche Cruisen auf oder neben der Straße passt das Setup allerdings prächtig.
Fazit:
Taiwan ATVs sind in den letzten Jahre qualitativ immer besser geworden. Doch ihr Gewicht ist relativ hoch. Da nützen auch Zweizylinder mit ach so viel PS wenig. Ein leichtes ATV mit weniger Leistung ist agiler unterwegs. Das Suzuki KingQuad 750AXi, ob nun mit oder ohne Servolenkung, stellt angesichts der vielen preislichen Kampfansagen aus Fernost (das KQ wird in den USA gebaut) eines wenn nicht das beste Preis-Leistungsverhältnis auf dem deutschen ATV-Markt in der Hubraum Klasse Plus 700 dar. Viele deutsche Händler bieten das ATV als Grauimport samt leistungsoffener Umrüstung im Preissegment von 8.500 bis 9.000 Euro an (siehe diverse Fahrzeugportale im Internet). Die Servolenkung kostet dann noch einmal Extra. Mit der originalen Suzuki Garantie und einer Straßenzulassung sind es meist noch ein „paar“ Euro mehr. Wer ein zuverlässiges ATV sucht und zügig fahren will, der kommt auch heute noch nicht an der Suzuki KingQuad 750 AXi vorbei. Und Design, hin oder her, ist wie immer Geschmackssache.●