Test Polaris Scrambler XP 850 H.O.

In Köln war sie auf der Intermot 2012 im Original auf dem Polaris Messestand zu sehen. Die neue Polaris Scrambler 850 H.O. Und an ihr scheiden sich offensichtlich die Geschmäcker. Das Design ist, sagen wir, anders ausgefallen. Die einen lieben es, die anderen weniger. Dazwischen gibt es kaum Spielräume. Umso wichtiger war uns der Test des neuen Polaris ATVs und die Beantwortung der Frage ob die Gewichtsdiät gegenüber dem Schwestermodell Sportsman XP 850 H.O. ,  immerhin 13,4 kg, deutliche Vorteile bringt.

Bilder vom Test HIER ab Seite 44

Es war Zeit, dass Polaris sich in die Kategorie der noch sportlicheren ATVs begibt. So manche Rennveranstaltung wird nun wieder interessanter. Der Gegner? Ganz klar: Can Ams Renegade. Das Erfolgsmodell aus Kanada war bisher ohne wirkliche Herausforderung. Das wird sich nun mit der neuen Scrambler XP 850 H.O. ändern.
Das Modell Scrambler ist bei Polaris seit den Anfängen der ATVs in 1984 mit dabei. Zunächst noch als 3-Wheeler, später dann als 4-Wheeler, mit und ohne Allradantrieb und sogar 2-Taktmotoren gehörten zur Serie. In Deutschland hat es nie wirklich zum Shootingstar gereicht – ganz anders als in Frankreich, wo das Modell Scrambler (aus dem englischen: herumklettern) seit Jahren ein fester Bestandteil des Polaris Programms ist. Mit dem neuen 850er Modell sollte das nun aber auch bei  uns der Beginn einer neuen Ära sein.
Auf der Basis des Schwestermodells Sportsman ist die neue Scrambler gebaut. Die Unterschiede sind schnell aufgezählt: Krassere Optik mit ins Auge stechenden üppigen Frontbumper. Andere Sitzergonomie, der Wahlhebel ist endlich aus dem Kniebereich verschwunden. Es gibt einen abnehmbaren Gepäckträger am Heck und eine Ablagefläche vorne. Die neue Scrambler wirkt insgesamt verjüngt.
Jugendlich auch die Motorleistung von 77 PS des 850 Kubik großen Zweizylinders. Der stößt das 338 kg schwere ATV mit viel Wumms nach vorne an. Die brachiale Motorkraft entfaltet sich, erfreulich für den Piloten, nicht explosionsartig, sondern dosiert. Doch langsam ist anders. Im Test bringen wir den Tacho auf die Marke von 123 km/h (das GPS zeigt 120 km/h). Ist das ATV eingefahren, sollte die 125 im digitalen Display zu sehen sein. Doch Motorpower ist zweitrangig wenn die Reifen diese nicht auf den Untergrund übertragen können sprich nur ungenügend Gripp aufgebaut werden kann. Polaris hat sich bei der Leistungsshow der Scrambler aus gutem Grund für die neuen Carlisle AT 489/2 Reifen entschieden. Und die sollen auch auf der Straße überraschen.
Es ist ein typischer nassgrauer Novembertag. Leichter Nebel zieht über die Straße. Das Geradeausbolzen zur Höchstgeschwindigkeitsmessung haben wir hinter uns. Die Reifen müssten für den Highspeed-Ritt etwas ausgewuchtet werden, ansonsten lassen sie das ATV ohne Probleme geradeaus laufen. Viel wichtiger ist jetzt aber die Klärung der Frage nach den Kurveneigenschaften auf Asphalt. Wie so oft dient uns dazu die Europa-Bergrennstrecke zwischen den Ortschaften Fell und Thomm im Kreis Trier-Saarburg. Etliche 180-Kehren und viel Kurvenraspeln machen dieses rund 3,5 Kilometer lange Straßenstück besonders interessant. Auf geht’s. Die Steigung der Strecke stellt die 77 PS Motorleistung vor keine Probleme. Die Scrambler rotzt mit sattem Sound aus dem Endrohr und 90 km/h durch die ersten leichten Kurven. Die Reifen walken weder zur Seite noch fühlt man sich auf ihnen unsicher unterwegs. Doch die erste krasse Kurve kommt näher. Ja, es  ist möglich die Scrambler, wenn man es drauf anlegt, zum Driften zu animieren. Doch das bedarf selbst auf der nassen Straßenoberfläche etwas Mühe. Mit relativ viel Halt räubert diese Polaris durch die Kehre. Das überrascht angesichts des groben Profils. Nach einigen Auf- und Abfahrten auf der Bergrennstrecke steht zweitens fest: Die neue Polaris lässt sich erstaunlich gut händeln. Das liegt einerseits an der Servolenkung des schwarzen Limited-Modells und zum anderen an der leichten Front des ATVs. Durch die weiche Sitzbank (für uns etwas zu weich) sitzt man mehr „im“ Fahrzeug. Auch der sportliche Schnitt der Sitzbank sowie der Kunststoffteile im Kniebereich vermittelt ein großes Maß an Feeling für das ATV und bietet viel Halt bei der Körpergewichtsverlagerung.
Szenenwechsel. Wir sind im Gelände. Dafür wurde die Scrambler XP 850 H.O. schließlich konzipiert. Wir lassen’s krachen. Schon nach den ersten schnellen Testrunden ist klar, diese Scrambler unterscheidet sich deutlich von dem Fahrverhalten der Schwester Sportsman. Die Scrambler lässt sich einfacher, sportlicher und agiler im Gelände bewegen. Besonders die Sitzergonomie, die schon auf der Straße positiv überrascht hat, wirkt spaßfördernd. Toll auch, dass Polaris endlich den Wahlhebel aus dem Kniebereich weiter nach oben verlegt hat. Das macht die „Körperarbeit“ bei sportlicher Fahrweise wesentlich angenehmer. Haben wir schon auf der Straße über den guten Gripp der Carlisle Reifen gestaunt, so sind wir begeistert, was die im Gelände leisten. Wer seinen Garten umgraben muss, sollte dafür die 850er Scrambler einsetzen. Die Arbeit ist ruckzuck erledigt. Im Ernst, das Profil greift ordentlich in den feuchten Untergrund des Testgeländes und lässt den Dreck meterweit fliegen. Wie gut die Reifen greifen ist auch an den Beschleunigungsattacken auf diesem rutschigen Untergrund zu spüren. Die Motorleistung wird nicht beim Durchdrehen der Reifen vergeudet. Das bringt Spaß.
Nicht ganz so überzeugen kann das Fahrwerk im sportlichen Einsatz. Liegt bei normalem oder semi-professionellen Geländeeinsatz alles im grünen Bereich vermissen wir die Möglichkeit der Zugstufeneinstellung bei den Fox Dämpfern (nur LE-Modell) wenn es zur Sache geht. Das ist besonders wichtig, wenn der Polaris-Panzer dabei im Gelände fliegen lernt oder mit hoher Geschwindigkeit durch die Pampa getrieben wird – dafür ist er schließlich gebaut. Für den Touch Down nach der Landung lässt sich über die Stellschrauben an den Dämpfern der Federungskomfort spürbar regulieren. Dazu braucht es nur ein paar Klicks. Für eine ruhige Fahrweise über Bodenunebenheiten bei hoher Geschwindigkeit fehlt aber einfach die Möglichkeit, die Ausfedergeschwindigkeit der Dämpfer über eine Zugstufeneinstellung regulieren zu können. Heftige Kickbacks würden so noch besser vermieden. Der- oder diejenige, der den sportlichen Wettbewerb sucht, sollte von vorneherein mit der Überlegung spielen, Aftermarket Produkte einzusetzen. Beim „Normalo-Modell“ Scrambler XP 850 H.O. in weißer Farbe sind keine verstellbaren Fox Dämpfer verbaut. Auch die Servolenkung ist nicht mit an Bord.
Im Test geht es jetzt zum eher spielerischen Teil über. Bergaufklettern, kein Problem. Das PVT-Getriebe lässt sich untersetzen, ist der Allradantrieb zugeschaltet, misst die Elektronik zusätzlich ob eines der Hinterräder durchdreht. Ist das der Fall wird automatisch der Antrieb der Vorderräder zugeschaltet – inklusive der Differentialsperre. Beim Geländespielen klasse, beim vorhergehenden Sporteinsatz eher hinderlich. Das ATV zirkelt nur mit größerer Anstrengung sprich größerem Radius um die Kurven. Bei matschigen Untergrund sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Motorbremswirkung nur auf die Hinterräder übertragen wird – auch bei zugeschalteten 4×4.
Die insgesamt vier Bremsscheiben der Scrambler  passen zum sportlichen Niveau des ATVs. Kraftvoll beißen die Bremsen bei der Betätigung der Integralbremse am linken Lenkerhebel zu. Die Fußbremse aktiviert die beiden Stopper an der Hinterachse. Mit gut spürbaren Druckpunkt lässt sich die Bremswirkung so oder so hervorragend dosieren.

Fazit
Die Kombination aus leistungsstarkem Zweizylindermotor, für ein ATV aggressiven Bremsen und der Handlichkeit durch Gewichtsdiät ermöglichen diese neue Scrambler extrem sportlich zu bewegen. Das wird auch durch das neue Profil der Carlisle Reifen unterstützt, die griffig vor allem bei Nässe im Gelände zupacken. Auf der Straße sind sie ebenfalls gut zu gebrauchen. Die neue Polaris Sitzergonomie ist für den Piloten ein weiterer Schritt hin zu mehr aktiver Fahrweise.●

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